Die feine Kommunikation

Ich beobachte immer wieder, dass die Erziehung von Hund und Pferd sehr sehr ernst genommen und vor allem extrem übertrieben wird – es artet regelrecht in Drill aus. Wo bleibt dabei die Persönlichkeit des einzelnen Tieres? Wie wirkt sich das auf die Tierseele aus?

Erziehung in Grundzügen muss natürlich sein,keine Frage – bei Anschaffung eines jungen oder neuen Tieres muss jeder Besitzer für sich festlegen, wie dieses Tier in seinen Lebensrhythmus integriert werden soll und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen. Das Tier muss bestimmte Übungen oder Verhaltensweisen, auch Kommandos beherrschen, damit es sicher und unproblematisch mit seinen Menschen durchs Leben und den Alltag gehen kann.

Darüber hinaus sollte es aber das Ziel eines jeden Tierbesitzers sein, eine sehr feine Kommunikation mit seinem Tier aufzubauen – das bedeutet auf das Wesen, auf die Wünsche und Bedürfnisse, die Eigenheiten des jeweiligen Tieres einzugehen und ihm seiner Art entsprechend ein Stück weit auch entgegenzukommen. Viele Besitzer sehen Ihr Tier nur als Funktionseinheit, was bei Pferden ganz besonders auffällt – da werden die Tiere oft benutzt,sie funktionieren wie Geräte auf vier Beinen – der eigene Wille des Tieres zählt hier sehr sehr wenig und um sich aus diesem Funktionssystem herauszunehmen, bleibt für viele nur die unbewusste Flucht in Krankheiten. Sehr wenige wählen den Weg der Aggression – welche natürlich genauso Ausdruck innerer Zerrissenheit und Unzufriedenheit ist. Es gibt sehr schöne Symptomenzuordnungen, die anhand der Krankheitszeichen Rückschlüsse auf psychische Probleme und Unausgeglichenheit zulassen.

Motivation und positive Verstärkung schaffen Offenheit und Interesse, sich mit dem Menschen zu beschäftigen und zu kommunizieren

Unsere Aufgabe als Therapeuten besteht darin,die Menschen zu sensibilisieren für die Bedürfnisse ihrer Tiere, zum Teil als Übersetzer zu fungieren, um die jeweilige Situation zu erklären und dadurch zu entschärfen. Grundsätzlich muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass wir hier hochsensible Lebewesen vor uns haben, die normalerweise immer gewillt sind, mit uns genauso wie mit ihren Artgenossen zu kommunizieren – das bedeutet, sie senden Informationen aus, sprechen mit uns Menschen, nur die allermeisten Menschen verstehen überhaupt nichts davon und hören vor allen Dingen auch nicht zu. Es bleibt ihnen also nur der etwas grobere Weg, über Verhaltensweisen etwas zu zeigen. Dadurch werden sie manchmal verstanden. Viel einfacher wäre es, sich auf die mentale Ebene einzuschwingen und zumindest Fragen zu stellen, die mit ‚ja‘ und ‚nein‘ zu beantworten sind, um eine Zustimmung oder Ablehnung des Tieres wahrnehmen zu können.

Das ist der erste Schritt, einem Tier zu zeigen, dass dem Menschen sein individueller Gemütszustand, seine Wünsche, Bedenken, Ängste und auch Sorgen über bestimmte Situationen nicht egal sind. Wenn die Tiere merken, dass der Mensch in der Lage ist, Informationen wahrzunehmen, lassen sie sich auch gerne auf eine intensive Kommunikation ein. Sie sind im Prinzip auf Dauerempfang eingestellt und genauso sollte der Mensch versuchen, permanent wahrzunehmen. Wenn diese Grundbasis geschaffen ist, lässt sich sehr schnell ein tiefes Vertrauensverhältnis aufbauen und man kann sicher sein, dass egal was man als Mensch sagt, das Tier dem Sinn nach versteht, was man meint. Je bildlicher ein Gedanke, ein gesprochenes Wort ist, je besser man sich eine Situation dazu vorstellen kann, umso besser wird die Situation vom Tier verstanden. Viele Schwierigkeiten ließen sich im Vorfeld vermeiden, wenn die Rahmenbedingungen ganz klar von beiden Seiten abgesteckt würden – wenn ganz klar definiert wäre, wo jeweils die Grenze ist, ab wann Überforderung und Ängste auftreten (bei Mensch und Tier) und man dann durch gemeinsam positiv gemeisterte Übungen und überstandene schwierige Situationen Sicherheit, Klarheit und Festigkeit der Beziehung erreicht.

Solche Tiere gehen mit ihren Menschen durch dick und dünn. Das sind die Freunde fürs Leben! Es ist so schade, dass so viele Mensch/Tier-Kombinationen in der reinen Materie von Befehl und Gehorsam, Druck, Enttäuschung und Liebesentzug, oder auch nur in reiner Körpersprache, stecken bleiben – es ist so viel einfacher, einem Tier Dinge ganz normal zu erklären (so wie man es einem kleinen Kind erklären würde, das immer wieder fragt ‚warum‘), als immer die Erwartung zu haben, dass alles richtig verstanden und sofort im blinden Gehorsam umgesetzt wird. Unsere Aufgabe als Therapeuten ist es, die Tierbesitzer hinzuführen zu einem besseren Verständnis ihres Tieres, zu einer besseren Kommunikation mit ihren Tieren und zum Verständnis und Erfassen der Individualität eines jeden Tieres, das seinen Weg mit den Menschen geht. Helfen wir, dass die Tierseele wachsen und sich entwickeln kann an der Seite der Menschen und dass die Besitzer dieses Wachstum durch ihr Verhalten, durch ihre Offenheit, durch ihr Sprechen mit dem Tier möglich machen und vertiefen.

Wir haben es in der Hand, die nötigen Hinweise und Hilfestellungen für diese feine Kommunikation zu geben und es ist einer der größten Liebesdienste, die wir den uns anvertrauten Tieren und Patienten erweisen können. Wichtig ist, dass sowohl wir als Therapeuten, wie auch die Tierbesitzer, streng auf Gedankenhygiene achten; das bedeutet, dass die Tiere in der Regel schon wissen was wir denken, bevor wir selber realisiert haben, was wir gerade gedacht haben. Wenn Tiere sich gut auf einen Menschen einstellen können und gelernt haben auf dieser Ebene zu kommunizieren, ist das überhaupt gar kein Problem für sie. Deswegen ist es von großer Bedeutung, beim Umgang mit Tieren immer in der eigenen Mitte zu sein, bei sich zu sein, klare Gedanken und Zielsetzungen zu formulieren und damit eine ganz klare Linie vorzugeben.

Wesentlich ist auch die Sicherheit, die wir auf diese Art und Weise vermitteln können – wenn wir in unserer Mitte sind können wir Selbstbewusstsein und Sicherheit transportieren. Das ist gerade für unsichere und etwas ängstliche Tiere eine ganz große Hilfe, für alle anderen ist es die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander. Man sieht also, wie wichtig diese subtile Art des Unterhaltens und des Umgangs mit den Tieren ist – es lohnt sich, diese feine Art der Kommunikation bewusst zu vertiefen.

Verbandszeitschrift des Internationalen Tierheilpraktikerverbandes e.V.
als Beilage in der Zeitschrift „tierhomöopathie“ | Ausgabe II/2019

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