Stoffwechselerkrankungen – EMS und ECS

Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt, muss man feststellen, dass sich die „Wohlstandserkrankungen“ bei Pferden sehr gehäuft haben. Natürlich gab es immer schon Pferde oder Ponys, die überfettet waren, weil sie falsch gehalten wurden, aber ein Cushing Syndrom war noch vor 20 Jahren sehr selten.

Sicherlich spielen viele Umweltfaktoren und immer enger werdende Haltungsbedingungen eine große Rolle, um den Organismus aus der Bahn zu werfen und seine Regulation und normalen Abläufe zu stören. Es soll hier nicht detailliert auf die äußerlich feststellbaren Symptome der Stoffwechselerkrankungen eingegangen werden, die sind hinlänglich bekannt, sondern auf wichtige Fakten und Gegebenheiten hingewiesen werden, die bei der Behandlung von Bedeutung sind.

Das EMS – equines metabolisches Syndrom – zeigt sich nicht immer in ausgeprägten immensen Fettansammlungen, Leistungsminderung und sonstigen der bekannten Symptome, sondern verläuft, vor allem im Anfangsstadium, manchmal fast unbemerkt. Durch Zufallsbefunde bei Laborkontrollen kann es entdeckt werden. Das Equine Cushing Syndrom (ECS) ist inzwischen sehr weit verbreitet, fast in jedem größeren Stall finden sich Pferde mit dieser Problematik. Häufig sind diese Pferde ja schon an ihrem langen Fell mit schlechtem Haarwechsel zu erkennen – wenn die Symptomatik sich steigert, Leistungsschwäche, Schwei.ausbrüche, Kreislaufbeschwerden und Verdauungsstörungen dazukommen, ist diese Krankheit nicht zu übersehen.

So darf das Sommerfell im Juli nicht aussehen!

Auch hier spielen sicher unsere Umwelt und die Haltungsbedingungen der Pferde eine große Rolle bei der Entstehung, wobei man sich nicht ganz sicher ist, ob es sich beim Cushing Syndrom immer um einen Tumor in der Hirnanhangdrüse, der Hypophyse, handelt oder ob auch ein hormonelles Ungleichgewicht durch Störungen der Hormonproduktion in der Hypophyse als Auslöser infrage kommen. Fakt ist jedenfalls, dass beim Cushingsyndrom zu viel des Hormons ACTH produziert wird, was in der Nebenniere eine verstärkte Cortisolproduktion bewirkt. Alle folgenden Faktoren lassen sich darauf zurückführen. Wir finden beim Cushingsyndrom im Blut einen erhöhten Hormonwert von ACTH, der Cortisolwert ist zu hoch, die Triglyzeride und die Glukose sind erhöht, und der Insulinspiegel ist ebenfalls zu hoch – es besteht eine sogenannte Insulinresistenz.

Insulinresistenz bedeutet, dass die Bauchspeicheldrüse Insulin produziert, das eigentlich dafür gedacht ist, vorhandene Glukose in eine Speicherform des Zuckers umzuwandeln, aber dass dieser Mechanismus bei einer solchen Krankheit nicht mehr funktioniert. Die fatale Folge ist, dass dem Gewebe, das die Glukose zur Arbeit ja benötigt, diese Energie fehlt, der Zucker dafür aber sofort in Fettgewebe umgewandelt und abgelagert wird. Daraus resultiert, dass ständig Signale kommen, es würde Energie gebraucht zur Arbeit, weil sie ja nicht zur Verfügung steht, und deswegen der Körper auf permanente Nahrungsaufnahme programmiert wird – da gibt es keine Sättigung und Fressbremse mehr. Diesen Mechanismus der Insulinresistenz finden wir auch beim Equinen metabolischen Syndrom (EMS), bei dem die Laborwerte ebenfalls erhöht sind, aber der ACTH Wert in Ordnung ist. Diese Entgleisungen im Zuckerstoffwechsel führen leider allzu oft zur Entstehung einer Hufrehe, entweder akut mit plötzlichem Beginn und heißen Hufen oder chronisch schleichend, sich langsam entwickelnd.

Oft weiß man ja zum Anfang einer Behandlung nicht, welche Erkrankung genau dahinter steckt und wird sicherlich eine Blutuntersuchung veranlassen. Dabei ist es wichtig, neben einem kompletten Screening, das ja auch Veränderungen im Blutbild, erhöhte Leberwerte, Blutfettwerte und Glucosewerte und sonstige Störungen zeigen würde, die Spurenelemente Selen, Zink und Kupfer und den Insulinspiegel bestimmen zu lassen.

Ist der Insulinspiegel zu hoch, sollte umgehend die Messung des ACTH-Wertes veranlasst werden, um ein Cushing Syndrom auszuschließen. Auch die Betrachtung der Schilddrüsenwerte ist wichtig, um eine Unterfunktion aufzudecken oder auszuschließen. Ebenso ist die Untersuchung des Cortisolwertes sehr hilfreich. Dabei ist festzustellen, dass immer mehr Pferde durch Dauerbelastungen, Stresssituationen, länger bestehende Cushingprobleme oder schwere Allergien Probleme mit den Nebennieren, die ja das Cortisol produzieren, haben. Die Nebennieren (Glandulae suprarenales) sind durch Dauerbelastung so überbeansprucht, dass sie nicht mehr in der Lage sind, genügend Cortisol zu produzieren – das bedeutet, wir haben zwar ein Cushing Syndrom, aber gleichzeitig einen niedrigen Cortisolwert, genauso beim EMS.

Cortison hat im Körper verschiedenste Aufgaben – Anzeichen eines Cortisolmangels sind oft rezidivierende Allergien, die nicht in den Griff zu bekommen sind, massive Entzündungen, psychische Unausgeglichenheit, Überängstlichkeit, etc. Wir haben durchaus die Möglichkeit, diese Organschwächeder Nebennieren auszugleichen, indem wir entsprechende homöopathische oder spagyrische Mittel geben oder zytoplasmatische Mittel einsetzen – dadurch wird eine gute Regeneration erreicht.

Es reicht nicht aus, den ACTH Spiegel mit den bekannten schulmedizinischen Medikamenten, die bei den meisten Pferden sehr gut wirken, zu drücken, sondern es muss auch das komplette Drumherum behandelt werden. Dazu gehört die Berücksichtigung der Bauchspeicheldrüse, die mit ihrer ständigen Insulinüberproduktion komplett überfordert ist – auch hier können wir homöopathische Mittel sowie zytoplasmatische Therapeutika einsetzen. Die Leber als Hauptentgiftungsorgan dürfen wir auf keinen Fall vergessen – auch hier haben wir gut einsetzbare Homöopathika und Organpräparate. Falls die Schilddrüse Störungen aufweist und zu wenig Hormone produziert – hier gibt es ebenfalls gute hömöopathische Mittel, auch Komplexmittel, um eine Regulation zu erreichen.

Nicht zuletzt können wir homöopathisch und zytoplasmatisch auf die Reduzierung des Tumors in der Hirnanhangdrüse hinwirken, und auch der Behandlung einer eventuellen Hufrehe mit dem Augenmerk auf Schmerzen, Ödemen, Gefäßkrämpfen muss Rechnung getragen werden.

Zusammengefasst bedeutet das, dass es bei Patienten mit unklaren Befunden sinnvoll ist,

  • eine umfassende Blutanalyse in Form eines großen Screenings einschließlich Selen, Zink und Kupfer im Labor machen zu lassen
  • ruhig öfter den Cortisolspiegel bestimmen zu lassen (Cortisol ist für so viele Vorgänge maßgeblich)
  • den Insulinspiegel machen zu lassen (hierfür ist gekühltes Serum notwendig) und bei Erhöhung des Insulinspiegels auf jeden Fall
  • ACTH (dafür gibt es spezielle Aprotonin-Röhrchen zur Blutabnahme, aus denen durch Zentrifugation Aprotonin-Plasma gewonnen werden kann), um ein Cushing Syndrom auszuschließen
  • die Schilddrüsenwerte bestimmen zu lassen, um eine eventuelle Unterfunktion herauszufinden, die den Stoffwechsel von Haus aus verlangsamen würde
  • zur Vervollständigung kann die Erbkrankheit PSSM ausgeschlossen werden durch die Untersuchung auf PSSM Typ 1 und Typ 2

Wir haben so viele Möglichkeiten mit unseren naturheilkundlichen Methoden organspezifisch zu unterstützen und in vielen Fällen sehr hilfreiche Maßnahmen einleiten zu können. Natürlich werden wir nicht nur symptombezogen arbeiten, sondern die Gesamtsituation des Patienten beachten und sehen, was er außer der Stoffwechselproblematik noch für weitere Themen hat. Damit haben wir ein sehr wirkungsvolles Instrument an der Hand, mit Hilfe einer vernünftigen Diagnostik, welche die folgenden Punkte einschließt, unseren Patienten effektiv helfen zu können.

  • die Anamnese und körperliche Untersuchung
  • die Begutachtung der Lebensumstände des Patienten
  • die Bewertung der Haltungs- und Nutzungsbedingungen
  • der Ernährung und Bewegung
  • der einschlägigen Laborbefunde

Die gängigsten Hinweise zur Behandlung dieser Stoffwechselproblematiken sind in der Regel beim Cushingsyndrom spezielle Tabletten, um den ACTH Spiegel zu senken, welche bei den meisten Patienten auch gut wirken. Beim EMS und übergewichtigen Patienten ist der Tenor Futterreduktion und Bewegung. Durch unsere Behandlung sollte die Organfunktion soweit wieder hergestellt werden, So darf das Sommerfell im Juli nicht aussehen! dass sich das Fressverhalten normalisiert und auch Patienten, die nicht, oder nicht mehr so viel bewegt werden können durchaus über eine Krankheitsphase hinweg kommen können, um anschließend einigermaßen normal wieder leben zu können.

Es ist im akuten Krankheitsfall oft notwendig, die Futterzufuhr zu beschränken, weil wie oben beschrieben, bei Insulinresistenzen immenser Hunger besteht. Durch moderate Diät kann das Übergewicht reduziert werden und das langfristige Ziel sollte natürlich sein, den Patienten wieder an eine normale Fütterung heranzuführen. Achtung ist geboten bei zu schnellem Gewichtsverlust – es werden aus dem schwindenden Fettgewebe Toxine frei, die darin gespeichert waren, und es tritt eine weitere Stoffwechselbelastung mit Übergiftung (bis hin zu einem erneuten Hufreheschub) auf.

Immer wenn der Körper einen Mangel verspürt, hat er erst recht die Tendenz Vorräte anzulegen. Es ist eine Gratwanderung und erfordert viel Fingerspitzengefühl, diesen Patienten auf Dauer wieder eine normale Fütterung mit ausreichend Heu und angemessenen Weidegängen zu ermöglichen, wenn der Stoffwechsel in Ordnung gebracht wurde. Dass länger als 4 Stunden dauernde Fresspausen kontraproduktiv sind bezüglich Stress und Magengeschwüren mit daraus resultierenden Schmerzen und Verdauungsstörungen ist ja hinreichend bekannt.

Solche Patienten, gerade wenn Sie noch spezielle Komplikationen wie eine Hufrehe aufweisen, sind eine echte Herausforderung für uns Therapeuten, aber mit entsprechenden Überlegungen, der Ausschöpfung unserer diagnostischen Möglichkeiten und dem Einsatz unserer vielfältigen naturheilkundlichen Therapiemethoden, eventuell in Zusammenarbeit mit einem guten Hufschmied, können wir sehr vielen von ihnen helfen.

Anita Ruckriegel
Tierheilpraktikerin

Verbandszeitschrift des Internationalen Tierheilpraktikerverbandes e.V.
als Beilage in der Zeitschrift „tierhomöopathie“ | Ausgabe III/2019

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